Folge 34: Ergonomie: Ist Sitzen wirklich das neue Rauchen?

Show notes

Sitzen ist das neue Rauchen, so der Tenor vieler Expertinnen und Experten. Denn oft beginnt der Arbeitstag auf dem Schreibtischstuhl – und nach Feierabend stellt man fest, dass man sich den ganzen Tag über kaum bewegt hat. Das kann sich langfristig negativ auf die Gesundheit auswirken. Deshalb ist es wichtig, auch im Büro oder bei anderen bewegungsarmen Tätigkeiten mobil zu bleiben. Oft zeigen schon kleine Übungen große Wirkung.
Wie Beschäftigte in Bewegung bleiben und warum Unterbrechungen sitzender Tätigkeiten wichtig sind, verrät die neue Folge von „Ganz sicher“. Unser Gast Stefan Kindermann ist Referent für Ergonomie bei der BG ETEM. Er erzählt, warum es sich für Führungskräfte lohnt, Bewegungspausen zu fördern und in die Unternehmenskultur zu integrieren – und warum sie mit gutem Beispiel vorangehen sollten. Der Gast: Stefan Kindermann ist Sportwissenschaftler und arbeitet bei der BG ETEM im Fachkompetenzcenter Gesundheit im Betrieb, unter anderem als Referent für Ergonomie. Er sagt: Egal, ob Sportskanone oder nicht, Mobilität im Arbeitsalltag ist für jeden auch ohne großen Aufwand möglich. Außerdem verrät er, welches Sportgerät in seinem Büro nicht fehlen darf.

Das Thema: Auf unserer Website finden Sie viele Hintergrundinfos zum Thema Ergonomie. Weitere Infos in unseren Broschüren „Ergonomie“ und „Arbeiten am Bildschirm“ . topeins-Artikel: Dauersitzen vermeiden Das Magazin: Die aktuelle Ausgabe der „etem“ steht immer unter etem.bgetem.de bereit. Sie wollen ältere Ausgaben lesen? Zum Archiv bitte hier entlang. Die BG ETEM Wer steckt hinter diesem Podcast? Die BG ETEM (Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse) ist die gesetzliche Unfallversicherung für rund vier Millionen Menschen in mehr als 200.000 Mitgliedsunternehmen. Zur offiziellen Website: www.bgetem.de

Show transcript

Stefan Kindermann:

Wir haben nun mal als Menschen einen Bewegungsapparat, und der muss benutzt werden. Ansonsten verkümmert der. Die Folgen sehen wir blöderweise erst immer Jahrzehnte später. Das ist, glaube ich, gesamtgesellschaftlich schon ein erhebliches Problem, und da müssen wir ran.

Intro:

Ganz sicher. Der Podcast für Menschen mit Verantwortung

Katrin Degenhardt:

Ganz sicher, so heißt der Podcast der BG ETEM. Und der Name ist hier Programm. Wir wollen, dass Menschen sicher sind. Bei der Arbeit und auch auf dem Arbeitsweg. Wie das gelingt, was Unternehmen tun, damit ihre Leute gesund bleiben. Herausforderungen und Lösungen im Arbeitsschutz, darüber spreche ich mit meinen Gästen. Das sind Expertinnen und Experten, Unternehmerinnen und Unternehmer, Sicherheitsfachleute und Beschäftigte aus Mitgliedsbetrieben der BG ETEM.

Und die erzählen mir hier, was sie bewegt. Ich bin Katrin Degenhardt, Moderatorin und Gastgeberin. Und jetzt geht's los.

Viele Menschen sitzen zu viel und zu lang. Sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit. Bewegung bleibt dabei oft auf der Strecke. Und das kann viele negative gesundheitliche Folgen haben und erhöht das Risiko von Erkrankungen. Expertinnen und Experten warnen schon länger, „Sitzen ist das neue Rauchen“.

Dabei gibt es viele Möglichkeiten, mehr Bewegung in den Alltag zu bringen. Und das geht sogar am Arbeitsplatz. Dazu unterhalte ich mich jetzt mit Stefan Kindermann. Er ist Sportwissenschaftler und arbeitet bei der BG ETEM im Fachkompetenzcenter Gesundheit im Betrieb, unter anderem als Referent für Ergonomie.

Herzlich willkommen, Herr Kindermann.

Stefan Kindermann:

Vielen Dank für die Einladung.

Katrin Degenhardt:

Herr Kindermann, ich habe jetzt schon ein ganz schlechtes Gewissen, dass wir jetzt für den Podcast auch hier im Studio sitzen, aber das ist ja Gott sei Dank nicht so lange. Ich will noch mal auf dieses Sprichwort „Sitzen ist das neue Rauchen“ zu sprechen kommen. Was ist denn damit genau gemeint?

Stefan Kindermann:

Also erstmal ist das ein sehr griffiger Slogan, der Aufmerksamkeit erzielt und das finde ich angesichts des Themas gar nicht verkehrt.

Ich glaube, man muss ein klein wenig differenzieren, beim Rauchen füge ich ja aktiv Giftstoffe dem Körper zu. Und da kann ich mich auch ganz einfach von fernhalten, indem ich einfach nicht rauche. Wenn man das mal so über die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik betrachtet, ein gewisser Prozentsatz raucht und macht das. Wenn man aber auf der anderen Seite das Sitzen betrachtet, ich glaube, da können wir uns alle nicht von frei machen. Wir sind alle Sitzexperten. Wir haben mehrjährige Erfahrungen im Sitzen. Wir machen das alle über mehrere Stunden pro Tag, zumindest der überwiegende Teil der Bevölkerung. Und dementsprechend sind natürlich die Folgen, auch wenn sie nicht auf dem gleichen Niveau sind wie beim Rauchen, natürlich über die Sandbevölkerung betrachtet trotzdem erheblich. Und deswegen ist diese Nebeneinanderstellung der beiden Begrifflichkeiten schon klug gewählt.

Katrin Degenhardt:

Erzählen Sie uns doch mal, was passiert mit unserem Körper, wenn wir sitzen und besonders, wenn wir zu lange sitzen.

Stefan Kindermann:

Ja, also wenn der Körper sitzt, dann sind wir in einem Ruhemodus. Das heißt, der Energiestoffwechsel fährt runter. Auch alle Aspekte der Durchblutung werden runtergefahren. Unser Energieverbrauch geht runter. Auch unsere kompletten Strukturen, Muskeln, Sehnen, Bänder werden nicht belastet. Da finden dann, wenn es zu lange passiert, natürlich auch Umbau und Abbauprozesse statt. Im Endeffekt führt es dazu, dass wir das Risiko für Erkrankungen damit erhöhen und auch wissenschaftlich nachweisen können, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. Diabetes Typ 2 steigt mit zunehmender oder langanhaltender sitzender Tätigkeit. Ich glaube, da ist der Arbeitsplatz ein Ort, wo man Maßnahmen treffen kann, auch auf lange Sicht gesehen die Gesundheit hochzuhalten.

Katrin Degenhardt:

Und über diese Maßnahmen werden wir natürlich noch sprechen. Aber davor noch kurz die Frage, wenn man schon sitzt, wie sollte man dann sitzen?

Stefan Kindermann:

Das ist eine schöne Frage. Wie sollte man sitzen?

Dynamisch ist die kurze Antwort. Wir kennen vielleicht alle solche Schaubilder noch von früher, also 2D-Darstellung. Der Mensch im rechten Winkel, also rechter Winkel zwischen Oberschenkel, Oberkörper, die Ellbogen und Oberarme haben auch rechter Winkel und Knie, also Oberschenkel, Unterschenkel haben auch einen rechten Winkel. Und das ist die ergonomisch gesunde Sitzposition. Da gibt es auch paar lustige Cartoons dazu, die das auf die Schippe nehmen. Am Ende des Tages ist es das aber nicht. Das heißt, man muss sich eigentlich lösen von dieser statischen 2D-Darstellung, sondern sich bewusst machen, dass die jeweils nächste Sitzhaltung immer die beste ist. Das heißt, dazu zählt auch, dass ich mich mal nach hinten lehne, nach vorne gehe, die Körperhaltung einfach wechsle. Ich darf mich gerne auch auf dem Stuhl mal fläzen und mal anderweitig Position einnehmen, als man das üblicherweise vielleicht macht. Aber der entscheidende Aspekt ist der Wechsel der Sitzposition. Und so wie das die Arbeit zulässt, das darf gerne regelmäßig zur Anwendung kommen.

Katrin Degenhardt:

Also Zappelphilipp ist ausdrücklich erlaubt.

Stefan Kindermann:

Aus meiner Wahrnehmung ja. Es muss natürlich zur Arbeitsaufgabe passen. Das ist natürlich selbstverständlich. Wir können jetzt hier auch nicht regelmäßig alle zwei Minuten die Sitzposition variieren. Es muss natürlich zur Arbeitsaufgabe passen. Aber da, wo die Möglichkeit besteht, die Sitzposition zu variieren, gerne machen.

Katrin Degenhardt:

Wie kann man denn noch gegensteuern und vorbeugen? Also mehr Dynamik reinbringen, schon durch ganz einfache Sachen?

Stefan Kindermann:

Genau, also ich glaube, wenn man sich das mal vor Augen führt, wie man selbst, wenn man denn eine sitzende Tätigkeit, meistens ist es eine Bürotätigkeit, durchführt, dann stellt man fest, dass man aus seiner durchaus angenehm, gemütlichen, statischen Sitzposition sehr selten rausgeht. Man ist automatisch in dem Modus, deshalb den Bildschirm vor sich, Tastatur vor sich, geht seine Arbeit nach und merkt erst nach einigen Stunden unter Umständen, dass man ja überhaupt gar nicht in die Bewegung gekommen ist.

Und da ist es einfach wichtig, sich einmal bewusst zu machen, dass das ein Risikofaktor ist. Und der zweite Aspekt ist, dass man sich bewusst Pausen setzt oder vielleicht besser den Begriff Erholungszeiten nimmt, wo man aus der sitzenden Tätigkeit rausgeht aktiv und eine Bewegungsunterbrechung einfach vornimmt. Das kann mit körpereigenen Übungen sein, also Übungen, wo man letztlich nur bestimmte Bewegungsfolgen absolviert, bisschen Herz-Kreislauf-System anregt. Das kann Aspekte der Kräftigung auch beinhalten, Thema Liegestütz beispielsweise, Planking oder ein paar Kniebeugen auch sehr gerne oder man hat entsprechende Hilfsmittel im Büro, die man da zum Einsatz bringen kann. Ob das jetzt eine kleine Hantel ist, ob das andere Gegenstände sind, das darf alles gerne zum Einsatz kommen und der regelmäßige Wechsel. Tipps gehen so von alle halbe Stunde, kurze Unterbrechungen machen, jede Stunde fünf Minuten. Das sind so Zeitfenster, wo man gerne aus der statischen Sitzposition rausgehen darf.

Katrin Degenhardt:

Ich schiele jetzt schon so ein bisschen für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer hier an die Wand, weil sie haben ein entsprechendes Gerät auch mal einfach mitgebracht. Wir bitten ja immer unsere Gäste etwas mitzubringen, was zu unserem Thema gehört. Und das sehe ich einen sehr modernen Hula-Hoop-Reifen, also mein Kinderreifen, der sah noch anders aus. Sie haben einen Hula-Hoop-Reifen mitgebracht. Das wäre zum Beispiel so ein Gerät, was Sie empfehlen würden.

Stefan Kindermann:

Wenn man da Spaß dran hat, das ist das Entscheidende. Also es bringt jetzt nichts, irgendein Gerät anzuschaffen, weil man das jetzt im Podcast gehört hat, aber überhaupt gar keine Lust hat, das Gerät einzusetzen. Ich persönlich finde das ganz nett, weil es handlich ist im Sinne von, das kann ich einfach im Büro platzieren, das nimmt nicht viel Platz weg und man kann in sehr kurzer Zeit eine adäquate körperliche Aktivität damit hervorrufen und merkt, man macht auch was für den gesamten Körper.

Katrin Degenhardt:

Ich habe es vorhin ausprobiert, das macht auch Spaß. Und ja, also man muss nur ein bisschen Platz dafür haben. Sonst landet die Blumenvase auf dem Boden. Haben Sie denn darüber hinaus auch noch eine besonders effektive Übung, also eine „Eierlegende Wollmilchsau-Übung“, die alles abdeckt?

Stefan Kindermann:

Da bin ich mir unsicher, ob es die gibt. Ich glaube, es ist am Ende des Tages eine Kombination aus unterschiedlichen Aspekten. Also der Wechsel zwischen

der statischen Tätigkeit am Schreibtisch und der entsprechenden Bewegungspause, der soll ja auch nicht immer gleich sein, der darf gerne variiert werden. Also neben Liegestütz, Bewegungsübung, Kniebeugen darf das auch gerne mal der Gang ins darüber liegende Stockwerk sein, wo man die Treppe benutzt und eben nicht den Fahrstuhl.

Katrin Degenhardt:

Jetzt haben Sie ja den Hula-Hoop-Reifen mitgebracht, wir haben vorhin von Kettlebell gesprochen, wir haben von Liegestützen gesprochen. Das sind ja nun schon ausgesprochen sportliche Tätigkeiten. Ich unterstelle jetzt einfach mal jemand, der sowieso schon aktiv veranlagt ist, hat da Ideen, wie er das machen kann. Aber es gibt ja auch Menschen, die da vielleicht nicht ganz so sportaffin sind oder vielleicht auch eine Beeinträchtigung haben oder eine chronische Erkrankung, was auch immer. Wo kann man denn da ansetzen? Was gibt es da für Möglichkeiten dieser Mikroaktivitäten?

Stefan Kindermann:

Genau, also die kurze Antwort jeder wie er kann. Es hilft schon, wenn ich einfach wenige Schritte mache und in die Aktion komme und damit mehr Energie verbrauche als ich durch die sitzen oder stehende Tätigkeit einfach tue. Das kann schon mit dem Weg zur Arbeit beginnen, dass ich einfach die Haltestelle vor meinem Arbeitsort aussteige und einfach noch die 500, 700 Meter Spazierweg in Kauf nehme. Das kann mit Ende der Arbeit natürlich auch die entsprechende Haltestelle sein, wo ich dann entsprechend später in die die Bahn einsteige. Die Nutzung von Fahrrad oder Tretroller, wenn es denn möglich ist, kann da eine Möglichkeit sein. Wir waren ja eben bei der Fragestellung, was mache ich mit denen, die vielleicht körperlich gar nicht so aktiv sein wollen. Auch da, glaube ich, gibt es die Möglichkeit, Bewegungsangebote zu schaffen. Wir kennen das, dass zentral platzierte Drucker vorhanden sind, wo man natürlich für die Ausdrucke ein paar Meter sich bewegen muss. Aber auch Aspekte wie greife ich zum Telefon, nutze ich die Videokonferenz, mit den Kolleginnen und Kollegen zu sprechen oder mache ich einen Vor-Ort-Besuch und steig dafür mal ein paar Treppen und tausche mich mit den Kollegen 1:1 aus.

Katrin Degenhardt:

Hat das Ganze nicht auch mit einem mit dem eigenen Mindset bzw. auch der allgemeinen Sicht auf Arbeit zu tun? Ich sage jetzt mal, wenn ich zwischendurch im Büro rumturne, in Anführungszeichen, könnte mich ja einer sehen und denken, dass ich nicht arbeite. Dabei ist ja auch schon längst bekannt, dass Bewegung zwischendurch sogar produktiver macht. Aber kann das vielleicht auch damit zusammenhängen?

Stefan Kindermann:

Das ist ganz richtig. Also das ist definitiv ein Aspekt der Arbeitskultur oder auch der Organisationskultur. Wie gehen wir mit solchen Aspekten um? Ich kann mich davon nicht frei machen, dass ich, wenn ich das Ding morgens oder in den Pausen mal einsetze, irgendwie auch so ein bisschen komisches Gefühl habe, wenn jetzt jemand zur Bürotür reinschaut

Katrin Degenhardt:

oder Sie mit Ihrem Hula-Hoop-Reifen und dann kommt jemand zu Tür rein, genau.

Stefan Kindermann:

Oder das ist von der Straße aus auch gut einsehbar, dass man dann denkt, was macht der da eigentlich bei der Arbeit? Und ich glaube, das ist so ein Problem, wo man in einem größeren Rahmen rangehen muss und sich davon frei machen muss, dass Menschen dann, wie soll ich sagen, da ihrem Vergnügen nachgehen, sondern letztlich dient es dem Erhalt meiner Arbeitsfähigkeit und meiner Gesundheit. Es erhöht in der Tat meine Produktivität. Ich bin damit über die acht Stunden natürlich bis zum Ende auch in der Lage, durch klug gesetzte Pausen entsprechende Leistungen immer wieder abzurufen und bereit zu halten. Das funktioniert eben nicht immer nach der Rechnung, okay, nur wenn du acht Stunden sitzt, bist du auch produktiv. Das ist einfach zu kurz gedacht an der Stelle. Also wir haben nun mal als Menschen einen Bewegungsapparat und der muss benutzt werden. Ansonsten verkümmert der. Die Folgen sehen wir blöderweise erst immer Jahrzehnte später. Das ist aber, glaube ich, gesamtgesellschaftlich schon ein erhebliches Problem und da müssen wir ran.

Katrin Degenhardt:

Gibt es denn auch gesetzliche Vorgaben zu diesem Thema?

Stefan Kindermann:

Ja, gibt es. Die sind, ehrlich gesagt, auch gar nicht so jung. Wir finden das schon in frühen Dokumenten, basierend auf der EU-Gesetzgebungsebene bzw. auf der EU-Richtlinienebene, dass die Unterbrechung der Bildschirmarbeit gefordert wurde. Aber ich glaube, es ist nie so wirklich in die ins Bewusstsein der Unternehmen und der Unternehmenskultur eingeflossen. Wir haben seit Mitte diesen Jahres eine sogenannte neue technische Regel für die Bildschirmtätigkeit und in der finden wir, nach meinem Dafürhalten erstmal auch sehr prominent platziert, die Forderung nach der Unterbrechung der Bildschirmtätigkeit formuliert im technischen Regelwerk und das auf der gleichen Ebene wie die Klassiker im Arbeitsschutz, nämlich das Thema Unterweisung und das Thema Gefährdungsbeurteilung. Und das an der Stelle zu sehen freut mich als Ergonom, dass es dort so deutlich platziert ist. Und ich bin gespannt auf die Zukunft, wie es auf der Unternehmensseite denn zur Umsetzung kommt.

Katrin Degenhardt:

Wie lässt sich denn, also ich sage jetzt mal von Unternehmer und Unternehmerinnen Seite, wie lässt sich denn so ein, ich nenne es mal Bewegungsbewusstsein im Büro umsetzen? Also welche Angebote könnten jetzt Unternehmer oder Unternehmerinnen machen?

Stefan Kindermann:

Also ich glaube erst mal muss es in der Tat bewusst werden, dass es zur Arbeit dazugehört und da ist mittlerweile das Vorschriften - und Regelwerk auch so weit, dass wir neben den Klassikern im Kontext Arbeitsschutz, also Unterweisung, Gefährdungsbeurteilung, insbesondere jetzt mit dem Fokus auf den Bürotätig - bzw. den Bildschirmtätigkeiten, auch die Unterbrechung der Bildschirmtätigkeit explizit einfordern bzw. den Arbeitgeber auffordern, sich dazu Gedanken zu machen. Das ist der erste wichtige Aspekt, dass es einmal festgeschrieben ist. Und im nächsten Schritt geht es nun darum, einmal die Mitarbeitenden darüber aufzuklären. Und ich glaube, der nächste folgende Schritt ist, gutem Beispiel voranzugehen. Das heißt, idealerweise ist das eine Sache, die dann nicht von Einzelpersonen im Geheimen durchgeführt wird, sondern dass man sich vielleicht auch aus Abteolung ganz bewusst zusammentut und sagt, wir machen jetzt mal unsere fünf Minuten gemeinsame Erholung und Führungskraft ist dabei. Da muss man natürlich irgendwann sagen, das geht nicht bei allen Arbeitsplätzen, aber da, wo sich einfach Gestaltungsräume auftun, die darf man gerne aktiv nutzen und ich bin ganz sicher, dass auch die Führungskräfte das an der eigenen Wahrnehmung spüren, wie gut das tut und wie gut das auch für die eigene Leistungsfähigkeit ist.

Katrin Degenhardt:

Haben Sie denn bei Ihrer Arbeit in ein Unternehmen mal kennengelernt, bei dem diese Aktivierung der Angestellten vorbildlich läuft?

Stefan Kindermann:

Das haben wir durchaus schon gesehen. Ein Unternehmen... Namen nenne ich jetzt keine, aber da war es in der Tat so, ein Bereich, natürlich aufgrund der Tätigkeit Forschungs- und Entwicklungsbereich auch die Möglichkeiten hatte, selbst gewählt, kleine Erholungszeiten zu nehmen, die haben sich in der Abteilung so abgestimmt, dass die regelmäßig morgens für eine Viertelstunde vor die Tür gehen und auch praktisch reihum jeden in die Rolle des Trainers versetzen und sagen, zunächst mal bringst du eine Auswahl an Übungen mit und die machen wir dann alle gemeinsam.

Katrin Degenhardt:

Und das ist ja auch noch gut fürs Betriebsklima

Stefan Kindermann:

Definitiv.

Katrin Degenhardt:

Es hat ja auch manchmal noch so Nebenaspekte, das Ganze.

Stefan Kindermann:

Ganz richtig. Also in dem Moment, wo ich mit Kolleginnen und Kollegen dann auch körperlich aktiv bin, Sachen gemeinsam mache, das bietet ja natürlich auch Raum. Man ist da ja nicht still nebeneinander, sondern der Smalltalk, der dann natürlich auch stattfinden kann, macht vielleicht die eine oder andere Sache in der Problemlösung, Lösungsfindung auch leichter.

Katrin Degenhardt:

Welche Unterstützung können denn die Expertinnen und Experten der BG ETEM bei diesem Thema geben?

Stefan Kindermann:

Also wir können, glaube ich, an jeder Stelle in dieser Fragestellung Unterstützung bieten. Das fängt ja mit der Beurteilung der Tätigkeit an. Wenn man das so klassischerweise betrachtet, jetzt auch aus der ergonomischen Perspektive betrachtet, dann schauen wir ja ganz oft auf Aspekte der Überlastung. Wir schauen an, wie oft, wie schwer wird gehoben, wie lange müssen Sachen getragen werden, über welche Distanzen bin ich in Körperzwangshaltung, muss ich irgendwelche repetitiven, sich wiederholenden Tätigkeiten ausführen und wir schauen dabei immer auf den Aspekt der Überlastung. Der Aspekt der Bewegungsarmut, und da wären wir bei den sitzenden Tätigkeiten, der fällt nach meinem Dafürhalten leider ganz oft runter.

Und das ist ein Aspekt, wo wir natürlich auch schon sagen können, versucht doch einfach mal eure Sitzzeiten mit einer Zahl zu versehen. Wie oft, wie lange wird gesessen? Und wenn man da schon feststellt, okay, wir haben das Problem der Bewegungsarmut, kann man natürlich mit Vorschlägen rangehen. Wie können wir diese Tätigkeiten unterbrechen? Welche Möglichkeiten bieten sich da an? Und da sind wir wieder, da schließt sich der Greis zu dem Reifen, den wir eben schon zum Thema hatten.

Welche Möglichkeiten kann ich denn im Büro anbringen, damit die Mitarbeitenden in die Aktion kommen.

Katrin Degenhardt:

Wir hoffen, dass wir auch unsere Zuhörerinnen und Zuhörer in Bewegung gebracht haben mit diesem Podcast. Ganz entlassen sind Sie aber noch nicht, denn wir haben am Ende immer das kleine Fragespiel „Ganz spontan: entweder oder“ um Sie noch ein kleines bisschen besser kennenzulernen. Sind Sie bereit, dieses Spiel mit mir zu spielen?

Stefan Kindermann:

Auf geht's!

Katrin Degenhardt:

Ja, dann fange ich mal an. Passend zum Thema:

Sitzen oder stehen?

Stefan Kindermann:

Stehen.

Katrin Degenhardt:

50 Meter Bahn oder Whirlpool?

Stefan Kindermann:

Whirlpool.

Katrin Degenhardt:

Zeitung oder Buch?

Stefan Kindermann:

Zeitung.

Katrin Degenhardt:

Ofenkartoffel oder T -Bone Steak?

Stefan Kindermann:

T -Bone Steak.

Katrin Degenhardt:

Wandern oder Strand?

Stefan Kindermann:

Strand.

Katrin Degenhardt:

Jeansjacke oder Sakko?

Stefan Kindermann:

Sakko.

Katrin Degenhardt:

Gymnastik oder Bankdrücken?

Stefan Kindermann:

Gymnastik.

Katrin Degenhardt:

Eule oder Lärche?

Stefan Kindermann:

Eule.

Katrin Degenhardt:

Marathon oder Sprint?

Stefan Kindermann:

Sprint.

Katrin Degenhardt:

Stille oder Disco?

Stefan Kindermann:

Das geht beides.

Katrin Degenhardt:

Nur nicht zusammen. Fahrrad oder U -Bahn?

Stefan Kindermann:

Fahrrad. Egal, was als Zweites kommt. Fahrrad.

Katrin Degenhardt:

Herzlichen Dank an dieser Stelle. wir freuen uns natürlich, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wenn Sie uns auf dem Podcast -Kanal Ihrer Wahl abonnieren und uns eine Bewertung oder einen Kommentar und gerne auch Fragen dalassen. Weiterführende Infos zum Thema finden Sie in den Shownotes und auf etem.bgetem.de.

Festzuhalten bleibt: schon kleine körperliche Bewegungen und Verhaltensänderungen, sogenannte Mikroaktivitäten haben eine positive Wirkung auf Ihre Gesundheit und das gilt auch am Arbeitsplatz. Unterstützen Sie im Unternehmen Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dabei und probieren Sie es selbst aus. Es lohnt sich. Ganz sicher.

Und Sie, Herr Kindermann und das gesamte Team hier im Studio, wir drehen jetzt erstmal eine kleine Runde den Block, oder?

Stefan Kindermann:

Hervorragend, da bin ich dabei.

Outro:

Ganz sicher. Der Podcast für Menschen mit Verantwortung

Comments (2)

Gunter Danner

Bewegungsmangel an Arbeitsplatz und im Privatleben ist ein ernstes Problem und Ursache zahlreicher AU Tage. Nützlich und modern,wie eine BG hier Verhaltensprävention breit streut. Sehr gut gemacht, locker, nicht oberlehrerhaft und gar mit „ Wehe, wenn nicht-Argumenten!! Echt gut ! Weiter so! MfG, Dr. G. Danner

Otl

Spannendes Thema und einige hilfreiche Infos!

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